Strafsache Dr. Model, Teil 4: Pappe, Lateinkenntnisse, verluderte ICCJV-Grammatik, Rausschmiss der Tochter
Rechtzeitig treffe ich wieder im Schwurgerichtssaal ein. Der Angeklagte und seine Verteidiger sind auch wieder da, selbstverständlich nutzen sie die Zeit für Unterredungen. Die Staatsanwältin sitzt an ihrem Pult und tippt eifrig irgendwas in ihren Laptop.
In den Zuschauerrängen bin ich jetzt allein, während am Morgen doch immerhin drei bis vier weitere “Zuseher” erschienen sind. In der Nachmittagsverhandlung tauchen dann doch wieder zwei männliche “Zuseher” auf, von denen später noch die Rede sein wird.
Die 30 Minuten Pause entpuppen sich als fast eine Stunde. Gegen 12:40 erscheinen die Richter wieder, das Aufstehritual wird brav abgehalten (noch!) und die Verhandlung kann weitergehen.
Daniel Model nimmt im Zeugenstand Platz.
Vorsitzender Richter (VR): “Sie wissen, worum’s geht, hab ich schon gefragt. Jetzt sind Sie am Wort. Was sagen’s zur Anklage, schuldig, nicht schuldig?”
Daniel Model (M): “Nicht schuldig”.
VR: Fragt, ob die ihm vorliegenden Angaben zu Ms persönlichem Werdegang richtig seien.
M: Bejaht.
VR: Wann waren Sie mit dem Studium fertig?
M: 1986, mit dem Lizenziat.
VR: Was dann?
M: Er habe doktoriert von 1986-1991.
VR: Wovon haben Sie in dieser Zeit gelebt?
M: Er habe Unterricht in einer kaufmännischen Schule in Zürich gegeben. Organisationslehre, Finanz- und Rechnungswesen.
VR: Und 1991 haben Sie im Unternehmen begonnen.
M: Ja.
[Einen kurzen Wortwechsel über die Familiensituation klammere ich hier aus.]
VR: Hat Ihre Frau eine Position im Unternehmen?
M: Ja, sie ist Länderchefin Schweiz.
VR: Und welche Funktion haben Sie im Unternehmen?
M: CEO.
VR: Mokiert sich über den englischen Begriff, M solle das “auf Deutsch oder auf Schweizerdeutsch” sagen.
M: Er sei Vorsitzender der Konzernleitung und Präsident des Verwaltungsrates.
VR: Haben Sie mit der operativen Leitung was zu tun?
M: Ja, er habe von morgens bis abends Sitzungen usw.
VR: Das Unternehmen habe Standorte “in sieben Staaten, glaub i, gell?”
M: Produktionsstätten gebe es in fünf Ländern, innerhalb der Schweiz gebe es drei davon mit mehr als 800 Mitarbeitern. Der Hauptsitz sei in Weinfelden TG, das Unternehmen befinde sich zu 100% im Familieneigentum.
VR: Wie würden Sie das ganze Unternehmen bewerten?
M: Das Unternehmen ist nicht verkäuflich.
VR: Für den Fall dass, wie würden Sie das einschätzen?
M: “Auch da muss ich diese schweizerische Untugend walten lassen” [nicht gern über Finanzielles zu sprechen]; er wolle das nicht beantworten.
VR: Ob das Unternehmen eher Wellkarton oder Vollkarton produziere?
M: Eher Wellkarton.
VR: “Weil?”
M: Erklärt es [da war es mir wirklich zu blöd, etwas aufzuschreiben].
VR: Graupappe auch?
M: Heute nicht mehr. Historisch sei Graupappe im Unternehmen produziert worden.
[Was auch immer Graupappe ist. Ich beginne mich zu fragen, in welchem Film ich hier gelandet bin. Dieses Fachsimpeln über Pappe war [i]in natura[/i] noch erheblich länger, als ich es hier wiedergebe.]
VR: Wo haben Sie einen Standort in Österreich?
M: Es gebe einen Standort mit acht Mitarbeitern in Linz, einen Packshop. “Danke für die Gelegenheit, da kurz Werbung zu machen. Wenn Sie umziehen, und sie brauchen zwei …”
VR [unterbricht M]: Adresse in Linz?
M: Nennt die Adresse.
VR: Fragt nach den anderen Standorten in der Schweiz (abgesehen von Weinfelden).
M: Ein Papierwerk in Niedergösgen, ein Standort in Moudon in der französischsprachigen Schweiz.
VR: Gesamtumsatz des Unternehmens?
M: Der werde am Donnerstag publiziert, es seien 1,07 Milliarden Schweizer Franken.
VR: Ich sehe, es gibt Leistungs- und Qualitätsnachweise, “wobei Sie aufpassen müssen, ein paar laufen aus”. Ob 2015 ein wirtschaftlich besonders erfolgreiches Jahr war?
M: Ja, das war ein gutes Jahr.
VR: Der Verteidiger habe gesagt, M sei ein Visionär und Freidenker. “Wie müssen wir uns das vorstellen, Herr Dr. Model?”
M: Spricht punkto Visionär über sein vorausschauendes Investment in den Comecon-Staaten.
VR: “Inhaltlich aufs richtige Pferd gesetzt, oder?”
M: Ja. Der Bedarf an Karton steigt auch wegen der kritischen Haltung zu Plastik.
VR: Sind Sie für Werbesachen zuständig?
M: Ja, ich bin tatsächlich derzeit auch für die Marke zuständig.
VR: Werben und Freigeist, passt das zusammen?
M: Ich habe nicht Marketing studiert. Man muss nicht im Marketing tätig sein, um Freigeist zu sein. Ich bin eher zurückhaltend und habe den Börsengang des Unternehmens erfolgreich verhindert.
VR: Marketing und Werbung ist aber Ihr Kernaufgabenbereich? Kann man das so sagen?
Statt eine Antwort abzuwarten, zitiert der VR folgenden Satz:
“Der Begründer der abendländischen Philosophie hat recht: Kinder sind die grössten Philosophen, alles ist neu und unerwartet, nichts versteht sich von selbst”.
M: “Dieser Satz ist mir relativ unbekannt”, er stamme nicht aus seiner Feder.
VR: Von welchem abendländischen Philosophen ist die Rede? “Das find i bei Ihnen in Ihrer Werbung”.
M: “Interessant.” Das Thema Kinder sei ihm tatsächlich wichtig, er erwähnt eine “Kid’s Charity Gala”, die er wohl mal organisiert hat.
VR: “Haben’s an karitativen Touch, Herr Dr. Model?”
M: Das sei schwierig zu sagen, er habe mit diesem Engagement wieder aufgehört. Er sei auch gespannt, wer der Gründer der abendländischen Philosophie sei. “Heraklit vielleicht?”
VR: “Schüler von Sokrates”.
M: “Platon?”
VR: “Bingo”.
[Darüber liesse sich wohl trefflich streiten.
Wie auch immer, die folgende Passage lässt mein Herz als beamtete und bestallte Sonnenstaatländische Beauftragte für Tote Sprachen höher schlagen!]
VR weiter: Platon sage, man müsse unterscheiden zwischen Meinung und Wissen.
M: “Schliesse mich vollumfänglich an.”
VR: Was die Aufgabe des Staates in dem Zusammenhang sei? “Wenn’s es schon richtig sagen, werden’s a bissl was wissen”. Was Platon denn geschrieben habe?
M: “Politeia”.
VR: “Bingo!” Ob M sich damit beschäftigt habe? “Haben Sie Latein gehabt?”
[Die Gretchenfrage! Obwohl komisch in dem Zusammenhang, denn Platon hat natürlich auf Griechisch geschrieben.]
M: Ja.
VR: “Tacitus übersetzt?”
M: Auch, “aber das waren vielleicht vier Wochenstunden in der Sekundarschule”. Im Gymnasium hätten sich seine schlechten Lateinnoten verbessert. Erwähnt, er leide unter einer beobachteten “Verluderung der Grammatik”.
VR: Hatten Sie auch Griechisch?
M: Nein.
VR: Sonstige Fremdsprachen? Französisch?
M: Nein, das sei eine sterbende Sprache.
[Ich traue hier meinen Notizen kaum, hat er wirklich so etwas Dummes gesagt? Andererseits, es gibt Äusserungen von ihm in den Medien, die sind auch nicht g’scheiter, um es mal mit einem österreichischen Wort zu sagen, und manche davon werden für ihn heute und morgen noch zu einem Problem werden.]
VR: Stichwort “Verluderung der Grammatik”: “Haben’s das amol durchg’lesn vom ICCJV? Zum Beispiel das ‘Wiener Statut’. Haben’s das g’lesn?”
[DANKE für diese geniale Überleitung. Besser hätte ich die Pappnasengrammatik auch nicht charakterisieren können!!!
Zum besseren Verständnis: Das ‘Wiener Statut’ ist so eine Art Verfassung des ICCJV und wie alle Dokumente dieses Deppengerichts in einer unbeholfenen Sprache voller Grammatik- und Sinnfehler verfasst.]
M: “In der Rückschau, als Angeklagter”, müsse er diese Dokumente lesen. Letztmals sei dies vor zwei Wochen geschehen.
VR: Wann bzw. wieviel haben Sie vom ‘Wiener Statut’ gelesen?
M: Er habe gegen Ende 2015 erstmals “mit diesen schriftlichen Dingen zu tun gehabt”.
VR: Haben Sie alles gelesen oder nur Teile?
M: Das ‘Wiener Statut’ habe 97 Seiten, er habe nur die “Präsentation” am Anfang gelesen. Da stehe etwa, um welche Straftaten sich dieser “Gerichtshof” kümmern würde. Er zählt auf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, … Es sei auch um die “zentrale Frage der Anerkennung dieses Gerichts” gegangen, und ihn habe angesprochen, “dass man nur Klagen von Parteien entgegennimmt, mit denen man auch vertraglich in einer Beziehung steht”.
VR: Platon kritisiere den Staat als Form des Totalitarismus, “sehen Sie das auch so?”
[Moooooment, war Platon nicht eher der Entwerfer eines totalitären Philosophenstaates? Den würden Sie heute wahrscheinlich in U-Haft stecken, Herr Richter!]
M: Er würde es anders sagen: “Der Staat ist eine Monopolinstitution und deshalb latent gefährdet”, weil es kein Konkurrenzprinzip gebe.
VR: “Jetzt sand Sie Schweizer”, wo die Beteiligung des Volkes anders sei, “aber immer noch von einer Demokratie auszugehen ist”.
M: “Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit”.
VR: Und die kann auch schlecht sein?
M: Man solle sie nicht “auf einen Sockel stellen”.
VR: “Wissen’s was über die Republik Österreich?”
M: Nein, da sei er “sehr schlecht unterrichtet”.
VR: Hatten Sie die Idee, Staatsideale zu ändern, oder was würden Sie in einem Staat ändern? Sind Sie ein EU-Befürworter oder eher ein Gegner?
M: Eher ein Gegner.
VR: Weil?
M: Begründet es aus wirtschaftlicher Sicht, negativ sieht er die “Einheitswährung”.
VR: Funktioniert es in der Schweiz? Da gebe es ja auch mehrere Kantone [mit einer einheitlichen Währung, scheint er zu meinen].
M: In der Schweiz gebe es einen permanenten Aufwertungsdruck der Währung, wie beim Euro trage diese ebenfalls nicht die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die Schweiz müsse ständig Geld drucken, es gebe Negativzinsen.
VR: Es funktioniert also in der EU nicht richtig, aber auch in der Schweiz nicht richtig?
M: … [Da muss er wohl etwas erklärt haben, aber ich war zu langsam beim Mitschreiben oder es war mir zu blöd]
VR: “Jurist sind Sie nicht?”
M: Nein.
VR: Sie haben zwei Töchter, eine ist Rechtsanwältin.
M: Nein, sein Erstgeborener sei ein Sohn.
VR: Auf wen greifen Sie zurück, wenn es Rechtsfragen gibt?
M: Auf meine Tochter.
VR: Haben Sie auch bezüglich ICCJV mit Ihrer Tochter gesprochen?
M: Ja, er habe sogar seine ganze Familie eingeladen, “bei der Initialpräsentation von Protagonisten des ICCJV teilzunehmen, da war sie auch dabei”. Das sei im Herbst 2015 gewesen.
Ganz unvermittelt zieht sich das Gericht zur Beratung zurück, es ist jetzt 13:20. M nutzt die Pause, um mit seinen beiden Verteidigern zu sprechen. Jedoch betreten die Richter den Saal schon gefühlte 30 Sekunden später wieder.
VR, zur Tochter von Daniel Model (T): “Frau Dr., wir müssen schauen, dass Sie nicht da sind”.
T: “Weil?”
VR: “Weil Sie möglicherweise als Zeugin in Frage kommen”.
Der Verteidiger V fragt nach der Rechtsgrundlage.
VR: Zeugen dürfen bei der Einvernahme des Angeklagten nicht anwesend sein.
Während sich ein kurzer Wortwechsel zwischen V und dem VR entspinnt, legt T langsam ihre Robe ab, breitet sie über die Armlehnen ihres Sitzes, wirft ihrem Vater betrübt ein Handküsschen zu und schreitet dann wortlos mit gesenktem Haupt aus dem Verhandlungssaal. Die Erschütterung ist ihr ins Gesicht geschrieben.
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